Von ULRIKE WEINERT, 19.07.08, 07:15h Der Reisebericht sprudelt aus Gerd Bierling heraus wie ein Wasserfall. Zum 50. Geburtstag hat sich der Sinnersdorfer einen Lebenstraum erfüllt. Als Sturmjäger ist er mit fünf...
PULHEIM. Der Reisebericht sprudelt aus Gerd Bierling heraus wie ein Wasserfall. Zum 50. Geburtstag hat sich der Sinnersdorfer einen Lebenstraum erfüllt. Als Sturmjäger ist er mit fünf weiteren Deutschen, begleitet von einem Fernsehreporter-Duo, im Mittleren Westen der USA unterwegs gewesen und hat atemberaubende Bilder mit nach Hause gebracht. „Das machst du nie wieder“, schwor der Chemikant bei der Erdölchemie in Köln-Worringen nach der Rückkehr. Zehn Stunden Flug, drei Wochen lang jeden Morgen früh aufbrechen, ohne zu wissen, wo man gegen Mitternacht ein Bett findet, viel Geduld und 12 500 gefahrene Kilometer auf schier endlosen Straßen haben Bierling vier Kilogramm Gewicht gekostet.
Doch als er das Filmmaterial daheim zusammenschnitt, erfasste ihn wieder das „Jagdfieber des Wetternomaden“. Er rief Ansgar Berling, den Leiter der Sturmjäger-Expedition, in Rheine an und sagte zu, im Frühjahr 2009 beim nächsten „Riesenabenteuer“ mit dabei zu sein. „Aber es wird für mich das letzte Mal sein“, versichert Bierling. Denn der erfahrene Ansgar, der wie der Sinnersdorfer im Verein Skywarn organisiert ist, macht seiner Familie zuliebe für die nächsten 15 Jahre Schluss mit der Sturmjagd. Ohne den Vertrauten will der Sinnersdorfer aber eine solche, durchaus gefährliche, Tour nicht wagen.
Lieber zehrt Bierling von den überwältigenden Eindrücken, die nun, fast zwei Monate nach der Rückkehr, noch so mächtig in ihm sind, dass er beim Erzählen Gänsehaut bekommt. „In den ersten zwei Wochen danach habe ich jede Nacht von Amerika geträumt und gedacht, ich wäre noch da“, berichtet er. Die USA, das „Sturmjägerland schlechthin“, hatte Bierling erstmals bereist. Dass die Tour auf der „Tornado Alley“, die sich über mehrere Bundesstaaten erstreckt, kein Urlaub werden würde, war von Anfang an klar. „Ich bin hingefahren, um zu lernen“, erklärt der ehrenamtliche Beobachter für den Deutschen Wetterdienst und die Deutsche Unwetterzentrale. Dafür hat der Hobby-Wetterforscher mehrere Qualifikationen erworben.
Vor allem hat er gelernt, bei allem Jagdinstinkt auf außergewöhnliche Wetterphänomene die Sicherheit an die erste Stelle zu setzen. So bedeutete es keinen Verzicht für ihn und seine Mitreisenden, am 10. Mai kehrt zu machen und sich in Sicherheit zu bringen, als sich in Oklahoma und Missouri eine so genannte Superzelle zusammenbraute. „Wir sahen uns die Straßenkarte an und entdeckten keine Fluchtmöglichkeit, deshalb fuhren wir nicht ins Sturmgebiet“, erklärt Bierling. Am folgenden Tag hörten sie, das Unwetter habe mindestens 16 Todesopfer gefordert. „Mit brachialer Gewalt offenbarte sich die traurige Kehrseite der so faszinierenden Naturgewalten in Gestalt von Tod und Zerstörung“, notiert der Sinnersdorfer in seinem Reisebericht auf seiner Internetdomäne.
Mehrere Tage im Bericht kennzeichnet der deutsche Sturmjäger mit fünf Sternen. Lesern gibt das einen Hinweis darauf, wann es „Action“ gegeben hat am Himmel. Mehrere „Wallclouds“, Wolkenwände, aus denen sich unten ein Schlauch rotierender Luftmassen bildete, haben die Sturmjäger gefilmt und fotografiert. Die Rüssel erreichten zwar nie den Erdboden, um zu den berüchtigten Wirbelstürmen zu werden, die alles hinwegfegen, brenzlig wurde es manches Mal aber trotzdem. „Es blieben oft nur zwei bis drei Minuten, um Bilder zu machen“, erzählt Bierling. „Wenig später muss man mit bis zu tennisballgroßem Hagel rechnen, der das Auto zerstören und einen Menschen sogar töten kann.“
Ein anderes faszinierendes Phänomen waren die kilometerhohen Gewittertürme. „Innerhalb von Minuten kann der Deckel brechen“, weiß der Wetterforscher. „Man muss sich das vorstellen wie einen Herbststurm, der einem aber nicht ins Gesicht bläst, sondern der in die Wetterzelle hineinströmt“, beschreibt er den Vorgang, wenn über 30 Grad Celsius heiße Luft am Boden von der wesentlich kälteren Luft in den Wolkenmassen nach oben gesogen wird. „Inflow“ nennt das die meteorologische Fachwelt.
Am kommenden Sonntag, 20. Juli, um 23.30 Uhr strahlt RTL unter dem Titel „Gegen den Sturm - die Tornadojäger“ den Reisebericht aus.