Am Donnerstag stand schon der nächste Unwettertag vor der Tür. Eine besonders stark ausgeprägte Luftmassengrenze kam direkt über Österreich zu liegen und unterteilte das Land in zwei Lager - das fast schon winterliche im Westen und das hochsommerliche im Osten. So lag der Temperaturunterschied zwischen Bregenz (12°C) und dem Wiener Raum (36°C) zu Mittag bei beeindruckenden 24°C. Schwere Unwetter waren also fast vorprogrammiert, der Ort ihres Auftretens und ihre Form waren allerdings nicht ganz abgesichert. Kleine Veränderungen in derartigen Wetterlagen haben natürlich auch große Auswirkungen und dementsprechend taten sich die Modelle auch nicht ganz so leicht, diese Unwetter zu prognostizieren. So stellten sich für mich im Südosten einige Fragen: Hält der starke Deckel? Können sich einzelne, isolierte Zellen entwickeln, die dann aufgrund der idealen Bedingungen auch recht schnell superzellig werden? Wirds doch ein größeres Gewittersystem? Oder hält der Deckel doch ganz und die Lage verläuft im Südosten (noch) ruhig? Wie die meisten mitbekommen haben, wurde es im Endeffekt hauptsächlich ein mächtiges Gewittersystem, was aber nicht minder schwach ausfallen sollte und für teils große Schäden gesorgt hat. Aber alles von Anfang an...
Satellitenbild 12 UTC/14 MESZ:
© Sat24.com/Eumetsat/Met Office
Betrachtet man das Satellitenbild um 12:00 UTC erkennt man auf den ersten Blick das ausgeprägte Höhentief über Frankreich und die Luftmassengrenze direkt über Österreich, an der auch schon einige teils kräftige Gewitter entwickeln konnten. Vor allem ein CB über dem nördlichen Mittelitalien springt dabei ins Auge. Dieses System sollte in den nächsten Stunden noch für einige Länder relevant werden.
Zunächst gab es aber, ausgelöst durch eine Konvergenz, einzelne Neubildungen im Südburgenland sowie von der Buckligen Welt bis zum südlichen Wiener Becken. Radarbild 15:00 UTC:
© Morecast/UBIMET GmbH
Aufgrund der nordöstlichen Zugrichtung waren diese für mich (Standort Hartberg) nicht mehr erreichbar - die Türme gaben dennoch schöne Fotomotive. Vor allem, da solche isolierten CBs in diesem Sommer eher der Seltenheit angehören - zumindest in meiner Gegend.
Entgegen der Hoffnung weiterer Neubildungen entlang der Konvergenz sollte es dann bis zum Abend dauern, bis die nächsten Gewitter (Unwetter) auf die Region übergriffen. Das über dem nördlichen Mittelitalien entstandene System zog immer weiter nach Nordosten, verstärkte sich in der für Gewitter immer besser werdenden Luftmasse zusehends und bildete eine Linie aus, die großflächig für große Schäden sorgte. Schon zu diesem Zeitpunkt kamen laufend Meldungen über Sturmschäden sowie Fotos einer gigantischen Shelfcloud aus den betroffen Gebieten wie Oberitalien, Istrien und später dann auch weiten Teilen Sloweniens. Satellitenbild 14 UTC/16 MESZ:
© Sat24.com/Eumetsat/Met Office
Radarbild 14 UTC/16 MESZ:
© http://radarska.meteocenter.eu
Satellitenbild 17 UTC/19 MESZ:
© Sat24.com/Eumetsat/Met Office
Radarbild 17 UTC/19 MESZ:
© http://radarska.meteocenter.eu
Nun stand ich vor der Entscheidung, wohin es gehen sollte. Eigentlich müsste man in dieser Situation nach Süden fahren, da am Südteil eines Systems in den allermeisten Fällen die stärksten Zellen lauern - in diesem Fall war wohl auch eine (bzw. mehrere) Superzellen eingebettet. Da aber spätestens nach den ersten Meldungen klar war, dass diese Linie schwere Sturmböen und auch größeren Hagel mit sich bringt und man bei dieser Zugrichtung und Zuggeschwindigkeit kaum eine Chance gehabt hätte, vorne dran zu bleiben bzw. nicht überrollt zu werden (ganz abgesehen davon, dass das Südburgenland bzw. die Grenzregion in Ungarn nicht gerade das beste Gebiet ist, um schnell irgendwo wegzukommen), vertraute ich meinem Bauchgefühl und blieb im Hartberger Raum. War mir im Endeffekt einfach zu gefährlich - im Nachhinein die richtige Entscheidung, wenn man so hört, wie es dort unten abgegangen ist. Um die nötige Sicht und auch verschiedenste "Fluchtwege" für die verschiedensten Szenarien zu haben, ging es wieder nach Markt Allhau im Burgenland.
Dort angekommen, bildete sich knapp südöstlich von mir plötzlich eine neue Zelle, die innerhalb von Sekunden das stärkste Radarecho sowie eine sehr hohe Blitzfrequenz (fast nur Bodenblitze!) aufwies. Radarbild 18 UTC / 20 MESZ - die ansgesprochene Zelle ist die weiße und isolierte im Südburgenland.
© Morecast/UBIMET GmbH
Schnell entwickelte sich ein Blitzfeuerwerk:
Aufgrund der dunstigen Verhältnisse und kaum Sicht auf die Zelle erwartete ich, dass sich auch diese Zelle (wie die anderen zuvor) mit der Strömung nach Nordosten verlagern wird. Die Blitze kamen aber immer näher und plötzlich gab es einen Naheinschlag nach dem anderen. Die Zelle scherte tatsächlich aus und driftete nach Nordwesten, genau auf mich und dem Nordteil der Linie zu.
So viele Naheinschläge im Sekundentakt konnte ich schon lange nicht mehr erleben - das letzte Mal, wenn meine Erinnerung stimmt, Anfang Mai 2012 bei Heiligenkreuz mit @Hans-Juergen . Da ich relativ frei stand, der Starkregen schon einsetzte und ich eher kein Interesse hatte, dass ein Blitz ins Auto einschlägt, fuhr ich etwas weiter, um mich zwischen Häusern von der Zelle überrollen zu lassen. Nach unzähligen Naheinschlägen zog sie dann schließlich Richtung Nordwesten ab und öffnete die Sicht auf das eigentliche System. Zunächst aber noch zwei rückseitige Blitze, das große System auf der linken Seiten schon zu sehen:
Nun wurde die Shelf auch optisch sichtbar. Schade, dass es sicher wieder einmal nicht bei Tageslicht ausgegangen ist...
Je nach Blitzaktivität wurden die verschiedensten Schichten der Shelf gut ausgeleuchtet. Interessanterweise gab es im Zuge des MCS fast nur mehr Wolkenblitze, während die isolierten Neubildungen fast nur Bodenblitze hervorbrachten.
Da auf meiner Position auf einem Hügel kaum Bäume oder sonstiges vorhanden war, entschied ich mich, hier zu bleiben. Im allerschlimmsten Fall war auch noch das alleinstehende Haus auf der rechten Seite, welches genau in der Zugrichtung stand, als Schutz vorhanden.
Radarbild 18:30 UTC/20:30 MESZ - der südliche Teil wütete mittlerweile entlang der österreichischen Grenze (später 115 km/h in Güssing, bei schon deutlicher Abschwächung). Der nördliche, etwas schwächere Teil (wobei dieser vom slowenischen Radar auch nicht mehr richtig aufgelöst wurde), zog von Südwesten kommend über meine Region.
© http://radarska.meteocenter.eu
Die Shelf kommt immer näher...
Die Shelf näherte sich extrem schnell.
Auch hier die vielen Schichten zu erkennen - echt schade, dass es schon dunkel wurde...
Radarbild 18:45 UTC/20:45 MESZ - Tschechisches Radar -- Standort östlich von Hartberg ganz am südlichen Rand der Karte.
© 2017 - Český hydrometeorologický ústav
Dann setzten innerhalb von Sekunden und noch vor dem Niederschlag im Aufwind Sturmböen ein - 88 km/h konnte ich mit dem Windmaster messen.
Nach ungefähr einer Minute folgte der feuchte Downburst mit noch stärkeren Böen (locker >100 km/h) vermischt mit Hagel mit der Größe von maximal 1-2 cm (meine Warnung wurde leider nicht abgesetzt.). Zum Glück habe ich mich rechtzeitig neben dem oben erwähnten Haus in Sicherheit gebracht, welches den Downburst gute abschirmte. (... und auch einen vertrauenserweckenden Eindruck machte.) So bekam ich auch kaum was vom Hagel ab. Der Downburst dauerte rund 15 Minuten an, wobei die Böen gegen Ende schon nachgelassen hatten. Anschließend wartete ich noch etwas, bis auch der Regen nachließ und vor allem auch wegen der von mir erwarteten Schäden am Heimweg - man will den Einsatzkräften ja auch nicht im Weg stehen. Trotzdem ging am Heimweg immer noch nichts, auf der Autobahn lagen lt. Verkehrsservice zahlreiche Bäume, so entschied ich mir für die Landstraße. Aber auch da ging nichts mehr...
Die Feuerwehr musste alle paar 100 Meter Bäume von der Straße räumen...
Auch in Hartberg lagen immer wieder größere Äste herum, in den letzten Tagen fielen mir auch entlang der Bundesstraße teils große Bäume auf, die zerschnitten neben der Fahrbahn lagen.
Auch den Zwetschkenbaum in unserem Garten (auf dem Foto schon teilweise zerlegt) hats leider erwischt:
Zum Abschluss des Tages gab es dann noch zahlreiche Einzelzellen, die sich südlich des MCS bilden konnten (was für die außergewöhnliche Luftmasse spricht) und immer wieder für schöne Blitze und beeindruckendes Donnergrollen sorgten. Ein Blitz ging mir noch ins Netz:
Der MCS hielt dann noch bis weit nach Polen durch, die Linie an dessen Front verschärfte sich weiter und bildete eine gigantische Shelfcloud aus, die z.B. von deutschen Kollegen bei Bratislava festgehalten wurde (siehe https://files.homepagemodules.de/b192007/...n3_SmindabH.jpg) Leider auch weiterhin mit großen Schäden begleitet - in Bruckneudorf im Nordburgenland wurden z.B. 126 km/h gemessen. Noch ein Blick auf das Satellitenbild - unfassbar, wie groß das System geworden ist. Der Eisschirm umfasst quasi den ganzen Osten von Österreich, vom südöstlichen Österreich bis ins nördliche Tschechien.
Satellitenbild 20 UTC/22 MESZ:
© Sat24.com/Eumetsat/Met Office
Satellitenbild 21 UTC/23 MESZ:
© Sat24.com/Eumetsat/Met Office
Zum Abschluss noch eine Karte zur Blitzdichte an diesem Tag:
© UBIMET GmbH
Ein Unwettertag, den man so schnell nicht vergessen wird und generell eine Unwetterlage, die leider auch sehr große Schäden angerichtet hat. Am nächsten Tag fielen einem ähnlichem System (nur mit viel höheren Windspitzen) in Polen ja ganze Wälder zum Opfer... (siehe https://files.homepagemodules.de/b192007/...n2_GKPzXFbC.jpg)
Ich hoffe der Bericht gefällt - mal wieder was ausführlicheres von meiner Seite. :)
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